Menni de Vries

43 Jahre

Menni wurde 1901 in Leer geboren, einem Ort in Norddeutschland an der Ems, 35 km von der Stadt Emden entfernt. Er wuchs in einer Familie mit drei Kindern auf. Ostfriesland ist das Land der Viehzüchter, Viehhändler, Viehmärkte und Schlachthöfe. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde sofort ein Schlachtverbot in allen Schlachthöfen für Ostfriesland, zu dem Leer gehörte, ausgesprochen. Auch die Schlachtmesser mussten abgegeben und vernichtet werden. Ein Teil des Viehmarktes in Leer war abgesteckt und ist Juden vorbehalten.

1939 mussten alle Juden in Leer in die sogenannten Judenhäuser umziehen. Bis Anfang 1940 müssen alle Juden Leer verlassen haben. Mennis Eltern ziehen nach Berlin. Sie werden im September 1942 von Berlin nach Theresienstadt deportiert, Mennis Vater wird im Juni 1943 ermordet, seine Mutter ein Jahr später in Auschwitz.

Sein älterer Bruder Ludwig (1899) wird aufgrund der sogenannten „Heimtückegesetz“ vom 20. Dezember 1934 verurteilt. Auf dessen Grundlage konnte jeder verurteilt werden, wenn das Nazitum in irgendeiner Form verspottet oder beleidigt wurde. Am 16. Juni 1938 wird Ludwig wegen „Betrugs“ zu 6 mal 5 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde nach Buchenwald überstellt und starb dort am 26. Februar 1941. Seine jüngere Schwester Frieda (1904), wohnhaft in Berlin, Lippehnerstraße 35, kam am 3. Februar 1943 mit dem 28. Osttransport nach Auschwitz. Dort werden sie und ihr 3-jähriger Sohn Jonathan gleich nach der Ankunft ermordet.

Menni floh 1934 aus Leer und ging in die Niederlande. Am 24. April 1934 gehörte er zur ersten Gruppe von Pionieren, die sich im neu gewonnenen Polder Wieringermeer niederließen. Von Beginn seiner Pionierzeit an konzentrierte sich seine Arbeit auf dem Viehbestand. Er gehört zum Personal des Werkdorps und wird zum Vorarbeiter ernannt.

Im November 1936 kam Rosa Winter zusammen mit anderen Pionieren aus Köln ins Werkdorp. Sie verlieben sich und heiraten am 24. Dezember 1937. Dann ist das erste Kind unterwegs, Mia de Vries wird zwei Monate später am 25. Februar 1938 in Amsterdam geboren. Und anderthalb Jahre später wird der zweite, Frits Ino, am 24. September 1939 ebenfalls in Amsterdam geboren.

Nach der Räumung des Werkdorps am 20. März 1941 gehört er mit seiner Familie zu den die bleiben dürfen. Bei der endgültigen Schließung im August 1941 zieht die Familie nach Zwolle. Menni findet Arbeit auf dem Bauernhof der Familie Slingerland in Olst, im November 1941 ist das allerdings vorbei. Danach arbeitete er hier und da als Gelegenheitsarbeiter und wenn er keine Arbeit hat, wird die Familie vom Jüdischen Komitee unterstützt.

Menni hat, wie seine „Sperre“-Nummer 35726 zeigt, versucht, über die Calmeyer-Liste einen Transportaufschub für seine Familie zu bewirken. Calmeyer untersuchte für alle Juden, die angaben, ihre Wurzeln in Portugal zu haben, ob sie volljüdisch seien. Viele Juden aus Portugal gaben an, ihre jüdische Abstammung sei inzwischen durch Ehen mit Christen so verwässert worden, dass sie im Sinne der Nazis keine Juden mehr seien.

Es ist möglich, dass Menni diesen Weg einschlug, um irgendwie Zeit zu gewinnen und dass sie zunächst davon ausgingen, dass Rosa und die Kinder auch unter seine Nummer Aufschub bekommen würden – das war anfangs üblich – und dass sich später herausstellte, dass Rosa es für sich selber und die Kinder beantragen musste oder konnte. Es kann also auch sein, dass sie versucht haben dadurch noch mehr Zeit schinden. Denn solange von Calmeyer und seinen Gefolgsleuten keine eindeutige Antwort darauf kam, ob sie voll jüdisch seien oder nicht, wurde man nicht deportiert. Auf der Judenrats-Informationskarte von Rosa und ihren Kindern wird die Calmeyer-Nummer 39649 genannt. Es wurde also sowohl für Menni als auch für Rosa geforscht. Es hat jedoch schließlich nichts genützt.

Am 6. April 1943 gaben die Besatzungsmächte bekannt, dass alle Juden die Provinzen Overijssel und Gelderland vor dem 10. April 1943 zu verlassen haben. Die Familie de Vries wurde am 9. April 1943 festgenommen und im Lager Vught inhaftiert. Zwei Monate später, am 7. Juni 1943, wird Rosa mit Mia und Frits ins Lager Westerbork gebracht. Rosa wird in Baracke 62 untergebracht, die beiden Kinder landen im Krankenhaus des Lagers Westerbork. Menni wird einen Monat später, am 2. Juli 1943, nach Westerbork gebracht. Ende August 1943 wurden sie nach Auschwitz deportiert. Rosa und die beiden Kinder Mia und Frits werden sofort nach ihrer Ankunft ermordet, Menni nach einem Jahr Zwangsarbeit am 31. März 1944.

Biographische Daten

Familie

Sohn von

  • Mirjam de Vries-Schulenklopper * 11-02-1874 in Norden † 16-05-1944 in Auschwitz und
  • Isaak de Vries 28-11-1873 in Leer † 03-06-1943 in Theresienstad    Vater von
  • Mia De Vries *  25-02-1938 in Amsterdam † 03-09-1943 in Auschwitz
  • Frits Ino De Vries * 24-09-1939 in Amsterdam † 03-09-1943 in Auschwitz
 

Letzte Adresse

Leer

Letzte bekannte Aufenthaltsorte in den Niederlanden

  • 24-04-1934
    Werkdorp Wieringen, Nieuwesluizerweg 42, Slootdorp (Wieringen)
  • 03-09-1941
    Zwolle, Waterstraat 12
  • 02-07-1943
    Auf Transport nach Westerbork
  • 31-08-1943
    Auf Transport nach Auschwitz